Verdächtige Blackout-Serie in vier NATO-Hauptstädten
Markus Gärtner
Vier aufeinanderfolgende massive Blackouts binnen zwölf Tagen. Alle legen sie weite Teile von NATO-Ländern oder deren jeweilige Hauptstadt zumindest vorübergehend lahm. Jedes Mal werden zentrale Regierungseinrichtungen oder strategisch wichtige Teile der öffentlichen Infrastruktur getroffen.
Statt klarer Antworten bekamen die Betroffenen fadenscheinige, wenig überzeugende, oder gar keine Erklärungen für die Ursachen der massiven Ausfälle, die einmal das Weiße Haus verdunkelten, ein anderes Mal den Flughafen Schiphol lahmlegten, eine Geiselnahme in Istanbul erleichterten und Teile von Rom inklusive den Flughafen Fiumicino neutralisierten.
In Washington war das Weiße Haus mehrere Minuten ohne Strom. In einigen Regierungsgebäuden gingen die Lichter aus. Museen wurden evakuiert. Im Außenministerium wurde eine laufende Pressekonferenz abgebrochen. Neben dem Finanzzentrum New York ist der Regierungsbezirk rund um den Kongress in Washington der anfälligste Teil der USA für Sabotagen.
Noch bevor die Behörden überhaupt wussten, wie viele Gebäude, Fabriken und sicherheits-empfindliche Anlagen im Regierungszentrum betroffen waren, kam die offizielle Entwarnung: Nein, ein Terroranschlag sei es nicht gewesen.
Die offizielle Ursache wurde fast ebenso schnell genannt: Laut dem Heimatschutzministerium fiel im Süden des Bundesstaates Maryland, in dem viele Beamte, Parlamentarier, Juristen und andere Zuarbeiter der Regierung leben, durch eine Explosion eine Stromanlage aus. Details dazu? Fehlanzeige. Eine Stellungnahme des Netzbetreibers Smeco? Ebenso nicht verfügbar wie vom zuständigen Energieproduzenten Pepco.
Gestützt wurden die mageren Erklärungen zu dem riesigen Stromausfall scheinbar durch die Tatsache, dass seit März schon drei Mal in der US-Hauptstadt der Strom ausgefallen ist. Traurige Routine in einem anfälligen System also?
Oder Naturgewalten? Vielleicht simple Überlastung des Netzes? Was auch immer. Aber keine Terroristen, vor denen sonst fast jeden Tag gewarnt wird. Das wäre ja das folgenschwere Eingeständnis, dass der überall schnüffelnde, hochgerüstete und vom Kampf gegen den Terror elektrisierte Staat versagt hat.
Nur sechs Tage bevor Obama auf Notstrom umschalten musste, war am 1. April in Rom die Stromversorgung für Stunden zusammengebrochen, dazu in Teilen der Region Latium. Am Flughafen Fiumicino ging fast gar nichts mehr. Und die Ursache für das Desaster in einem Land, in dem das Spardiktat aus Brüssel die innere Sicherheit schwer in Mitleidenschaft gezogen hat? Irgendwie unbekannt.
Nur einen Tag zuvor war die Türkei vom schwersten Blackout seit dem verheerenden Marmara-Erdbeben des Jahres 1999 heimgesucht worden. Chaos in der Hauptstadt und weiten Teilen des Landes zog über 70 Millionen Türken in Mitleidenschaft.
Der öffentliche Verkehr wurde lahmgelegt, Ampeln blieben dunkel, Fließbänder hielten an. Aufzüge fuhren nicht mehr, Handys waren nicht erreichbar, Krankenhäuser schalteten auf Notbetrieb um. Überwachungskameras in der Hauptstadt Ankara fielen stundenlang aus.
Linksextremisten drangen während des massiven Stromausfalls in den Justizpalast ein und kidnappten einen Staatsanwalt. Dieser arbeitete am Fall eines Demonstranten, der im Gezi-Park erschossen worden war. Selbst Ministerpräsident Davutoglu vermutete spontan »Sabotage«.
Doch offiziell ist die Ursache eine Verkettung unglücklicher Ereignisse, angereichert mit einer Brise Missmanagement. Ein Kraftwerk in der Ägäis-Region soll ausgefallen sein. Abnorme Schwankungen im landesweiten Netz – aus dem sich vorübergehend sogar der Verband Europäischer Netzbetreiber verabschiedete – lösten anschließend das Stromdebakel aus.
Der Hinweis der Zeitung Hürryiet, das nationale Energienetz in der Türkei sei ziemlich ausgeklügelt und Misswirtschaft reiche nicht als Erklärung für den massiven Stromausfall, ist verhallt. Viele in der Türkei vermuten einen Cyber-Angriff – wie er vor einigen Tagen auch auf das Weiße Haus ausgeführt worden sein soll. Doch offiziell ist das nicht.
Im türkischen Internet wimmelt es daher von Spekulationen und Theorien, darunter der Vorwurf an die Regierung, der Blackout sei inszeniert gewesen, um Propaganda für den Ausbau der Kernenergie zu betreiben.
Und Amsterdam? – In den Niederlanden startete am 27. März die dubiose Kette von Blackouts. Weite Teile der nördlichen Niederlande mit fast drei Millionen Menschen erlebten einen verheerenden Stromausfall. Tausende steckten in Zügen, Straßenbahnen und Fahrstühlen fest.
Die offizielle Erklärung hier: Eine Schaltanlage für Hochspannung im Amsterdamer Vorort Diemen sei wegen der Überlastung des Stromnetzes ausgefallen.
Auch in diesem Falle hält sich der Betreiber bedeckt, während die Spekulationen ins Kraut schießen und sich Millionen von Holländern fragen, ob Europas viert größter Flughafen und das gesamte Schienennetz im Norden des Landes einfach nur Opfer eines Unfalls waren oder vielleicht doch das Ziel eines Anschlags.